Der Klassenraum hat in den letzten hundert Jahren einen drastischen Wandel erfahren. So sind nicht mehr mehrere Jahrgangsstufen zusammen in einem Raum untergebracht, körperliche Züchtigungen und strenge Sitzhaltungen sind abgeschafft, Schiefertafeln sind Heften gewichen und im besten Falle hat auch die Digitalisierung Einzug in die Schule der Gegenwart erhalten.
Aber nicht nur räumlich hat sich einiges getan, auch politisch und gesellschaftlich gibt es tiefgreifende Veränderungen. Die Schülerschaft wird immer heterogener, die Bedürfnisse diverser, die Ansprüche höher. Durch die Zunahme der Ganztagsschulbetreuung verbringen die Kinder und Jugendlichen deutlich mehr Zeit in der Schule und die voranschreitende Inklusion führt dazu, dass Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Bedürfnisse gemeinsam unterrichtet werden. Schließlich gibt es auch noch zahlreiche Kinder mit Fluchterfahrung, die integriert werden wollen, sowie neue Forschungserkenntnisse, deren Umsetzung erfolgen soll. Für Lehrer bedeuten die gestiegenen Erwartungen und die gesteigerte Diversität jede Menge Herausforderungen. Neben pädagogischen Konzepten und Leitbildern kommt auch der Gestaltung des Raumes als Lernort eine entscheidende Bedeutung zu. Wie kann in diesem Spannungsfeld der Lernraum so eingerichtet werden, dass es den Bedürfnissen möglichst aller gerecht wird, dass es Lernprozesse fördert und das Wohlfühlen unterstützt? Schlicht und einfach: Wie sieht das perfekte Klassenzimmer aus?
Bauliche Voraussetzungen
Der perfekte Lernort sollte nicht zu klein sein. Gerade bei Gruppenarbeiten, Stationenlernen oder Projektphasen ist es gut, wenn sich die Schülerinnen und Schüler im gesamten Raum verteilen können, ohne sich gegenseitig zu stören. Wichtig ist auch, dass genügend Fenster vorhanden sind. Tageslicht wirkt vitalisierend. Der umweltfreundliche Nebeneffekt ist, dass man durch ausreichend natürliches Licht auch die Stromkosten und den Energieverbrauch senken kann. Da es in Schulklassen oft sehr laut hergeht, sollte auf emissionsverringernde Baustoffe geachtet werden. Teppichboden ist zum Beispiel Lärm verringernd, sollte aber auch den hygienischen Anforderungen des öffentlichen Bereiches entsprechen. Wenn der Raum so gestaltet ist, das Lärm gedämpft statt verstärkt wird, fällt allen Beteiligten die Konzentration leichter, das Risiko für Kopfschmerzen nimmt ab und das Lernen wird dadurch effektiver. Zur Verringerung des Schalls können hierbau auch sogenannte
Schallabsorber und Akustikelemente im Klassenzimmer installiert werden. Außerdem ist es wichtig, dass genügend Frischluft nach drinnen gelangt. Wo viele Menschen auf engem Raum arbeiten, kommt es zweifelsohne zu Ausdünstungen und unangenehmen Gerüchen. Und auch zum Denken ist Sauerstoff unerlässlich. An heißen Sommertagen darf eine Klimaanlage im perfekten Klassenzimmer natürlich auch nicht fehlen. Auch sonst sollte der Raum auf natürliche Art und Weise dazu beitragen, eine gute Raumtemperatur und ein angenehmes Klima zu erzeugen.
Das richtige Mobiliar für den Klassenraum
Stimmen die baulichen Voraussetzungen, so folgt die Frage, welche
Schulmöbel denn geeignet sind. Hier sollte beachtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler einer Klasse sehr unterschiedlich sind. Es gibt große und kleine, schlanke und kräftige etc. Dem sollte bei der Konzeption Rechnung getragen werden. Allgemein können mitwachsende Möbel sehr hilfreich sein, also Stühle und Tische, die sich in ihrer Größe verstellen lassen. Am besten sind außerdem Einzel- statt Doppeltische, sodass jede und jeder sich seinen/ihren Arbeitsplatz individuell anpassen kann. Das Mobiliar sollte außerdem ergonomisch sein, um Fehlhaltungen und damit verbundene Schädigungen zu vermeiden. Dies gilt gleichermaßen für die Einrichtung des Platzes der Schülerinnen und Schüler als auch der Lehrerinnen und Lehrer. Des Weiteren sollte es mehrere Arbeitsbereiche geben, um verschiedene Sozialformen und Methoden gerecht zu werden. Mal ist ein Stuhlkreis gewünscht, mal Einzelarbeit, dann wieder kooperative Lernformen. Flexibles Inventar, welches sich schnell und einfach verstellen lässt, ist dafür besonders praktisch. Die
Schultafel oder das
Whiteboardsollte so ausgerichtet sein, dass alle gut sehen können. Es muss auf einfallendes Sonnenlicht und etwaige Verdunklungsmöglichkeiten geachtet werden. Darüber hinaus sind
Schließfächer im Klassenraum sinnvoll. Dort können die Kinder und Jugendlichen nicht benötigte Schulsachen wie Sportkleidung, Bücher oder Malutensilien zwischenlagern und müssen nicht jeden Tag alles mit nach Hause tragen.
Digitale Arbeitsplätze
Ohne Technik geht heute gar nichts mehr. Das Internet wird ständig benötigt, um Informationen herauszusuchen, Recherche zu betreiben oder sich mit anderen zu vernetzen, um somit Probleme zu lösen. Es ist einfacher Vokabeln online als analog nachzuschlagen. Auch können Funktionsgraphen schnell gezeichnet werden oder auch aktuelle Bilder und Videos als Lernmaterialien in den Unterricht einbezogen werden. Auch die Arbeitswelt ist oft Vernetzung und digitale Geräte angewiesen. Die Schule muss diesen Anforderungen des Alltags nachkommen. Im perfekten Klassenraum sind deshalb Laptops und/oder Tablets in Reichweite. Am besten gut verschlossen in einem
Laptopwagen.Sie ergänzen das Lernen nicht nur, sondern sind längst fester Bestandteil des täglichen Lernens. Ein Klassenraum ohne ist dem entsprechend eine unnatürliche Lernumgebung. Gleichzeitig sollten sich die digitalen Arbeitsplätze im hinteren Teil des Raumes oder am Rand befinden, um in analogen Arbeitsphasen nicht die Konzentration auf sich zu lenken und somit das Lernen stören. Auch können sie differenziertes Arbeiten erleichtern, wenn sie sich in einem abgetrennten Teil der Klasse befinden, sodass die Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichem Tempo lernen und arbeiten können. PCs leisten somit einen wichtigen Beitrag zur individuellen Förderung.
Die richtige Gestaltung des Klassenzimmers
Wenn es um die Gestaltung der Klasse geht, sollten unbedingt die Schülerinnen und Schüler mit einbezogen werden, schließlich verbringen sie hier einen wesentlichen Teil des Tages. Partizipativ und demokratiepädagogisch kann können hier unterschiedliche Meinungen und Standpunkte diskutiert werden. Doch auch die Lehrerinnen und Lehrer sollten ihre Wünsche deutlich machen, schließlich haben sie auch eine gewisse Erfahrung was gute Sitzformen und onstruktive Unterstützungsmaßnahmen angeht. Die U-Form ist bei vielen beleibt, weil alle gut miteinander agieren können und die Schultafel gut sehen. Außerdem ist diese Form reizärmer als Gruppentische. Auch können an den Wänden Poster und Bilder angebracht werden. Es sollte schon deutlich sein, dass es sich nicht um das Kinderzimmer der Schülerinnen und Schüler handelt. Aber es gibt eine große Anzahl an unterrichtsbezogenen Materialien: Von Landkarten und Formelsammlungen bis hin zu selbst gestalteten informativen Lernplakaten oder Grammatikhilfen gibt es vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, die gleichzeitig einen praktischen Nutzen haben.
Flexibilität
Wie bereits oben schon angeschnitten, ist der perfekte Klassenraum vor allem ein flexibler. Eine Gruppe um den Münchner Forscher Joachim Kahlert hat ein Modell entwickelt, das aus drei Säulen besteht. AAA – adaptiv, anforderungsgerecht, anmutend. Diese Formel macht deutlich, dass man perfekte Gegebenheiten nicht statisch schaffen kann. Vielmehr müssen sie dynamisch anpassbar sein an die jeweiligen Gegebenheiten, an das Fach, die Lehrenden und die Lernenden. Sie müssen situativ veränderbar sein und dabei ansprechend für das Lernklima und die Atmosphäre. Sie sollten Ablenkungen reduzieren und die Konzentration fördern und somit für optimale Gegebenheiten für das Lernen zu schaffen.
Fazit
Es wird also deutlich, dass ‚perfekt‘ nicht für alle das gleiche bedeutet, sondern vielmehr, dass jede und jeder sich seinen Arbeitsplatz und die Schulmöbel nach den individuellen Wünschen einrichten kann. Flexibilität und Individualität heißen dem zu Folge die Zauberwörter, um den Ansprüchen an individuelles Lernen, inklusiven Unterricht und heterogene Schülerschaften nachzukommen. Außerdem müssen die Schulen einigermaßen dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Es müssen sowohl die nötigen Voraussetzungen zum digitalen Arbeiten geschaffen werden wie auch für analoge Phasen. Auch die unterschiedlichen Fächer- und Lehreranforderungen sowie diverse Methoden und Sozialformen müssen Beachtung finden. Diese Anpassbarkeit hat ihren Preis und bedarf deshalb eines langwierigen Prozesses. Bis es so weit ist, können wir zumindest immer weiter versuchen, die Lernumgebung wenigstens Stück für Stück zu perfektionieren, sodass sich alle möglichst wohl fühlen.