Lesepass in der Grundschule

Lesepass in der Grundschule - nach dem Abendessen schaut Lena noch einmal in Emmas Zimmer. „Hast du schon alles für die Schule morgen eingepackt?“, fragt sie ihre Tochter. „Fast“, erwidert diese, „mein Sportzeug habe ich schon, meine Hausaufgaben und das Deutschbuch auch, aber den Lesepass kann ich noch nicht einpacken. Ich will ja heute Abend noch lesen und ein Bild zu meinem Buch malen. Guck mal, ich habe schon fast die Hälfte der Aufgaben gemacht! Und wenn ich die alle erledigt habe, fünfzehnmal zu Hause und zwanzigmal mit Milena gelesen habe, dann komme ich auf die nächste Lesestufe.“ „Dann bist du ja ganz schön fleißig, aber vergiss nicht, ihn danach noch einzupacken“, antwortet Lena und verlässt lachend das Zimmer.

Lesepässe sind, neben den bereits vorgestellten Bücherwürmern, eine weitere Methode der Leseförderung. Sie bieten den Lehrpersonen einen guten Einblick, wie viel ein Kind liest und lassen sich dabei gut an die Bedingungen der Klasse oder Lerngruppe anpassen. Gibt es etwa eine feste Lesezeit, in der die Kinder alleine oder mit einem anderen Kind lesen, können hierfür Stempel gesammelt werden, etwa für eine bestimmte Seitenanzahl oder eine festgelegte Zeit. Um auch das Leseverständnis zu überprüfen, können Aufgaben hinzugefügt werden, die von den Kindern bearbeitet werden können. Die Aufgaben selbst lassen sich leicht an das jeweilige Leseniveau anpassen. Hierbei empfiehlt sich als Lesepass ein kleines Schulheft, in dem die Aufgaben bearbeitet werden. Die Aufgaben sollten so gestellt werden, dass sie sich auf jedes beliebige Buch beziehen, und sowohl für eine Erzählung als auch für Sachbücher genutzt werden können.

Ein Lesepass für Leseanfänger 

Schon ab der 1. Klasse können Lesepässe zum Einsatz kommen. Auch wenn die Kinder vielleicht noch kein ganzes Buch lesen können, sondern erst einzelne Buchstaben, kann zumindest im Lesebuch oder in der Fibel selbständig gelesen werden. Auch Bücher für Leseanfänger sind dafür geeignet, die es in einem breiten Themenspektrum gibt. Wichtig ist nur, dass die Kinder schon früh anfangen, alleine zu lesen und das Lesen zu trainieren. Am Anfang reicht eine Zeit von fünf Minuten oder eine Seite am Tag, um einen Stempel zu erhalten. Wenn es sich mit einem Text sicher ist und ihn mehrmals für sich gelesen hat, traut es sich vielleicht auch, den Text laut vorzulesen. Eltern, Geschwister oder andere Verwandte bieten sich möglicherweise zu Hause als Zuhörer an. In der Schule könnten die Kinder einmal in der Woche in Gruppen oder paarweise gemeinsam lesen. Für beides könnte es dann ebenfalls Stempel geben. So sehen die Kinder schnell ihren eigenen Fortschritt.
Auch für Leseanfänger lassen sich geeignete Aufgaben zum Leseverständnis finden. Sie müssen sich nicht zwangsläufig auf die Texte beziehen, die die Kinder selbst gelesen haben. Wird im Unterricht eine Geschichte vorgelesen, können die Kinder auch dazu eine Aufgabe in ihrem Lesepass bearbeiten. Außerdem bieten sich Lesespiele und Spiele zum Buchstabenlernen an, die ebenfalls als Aufgabe bearbeitet werden können.

• Male ein Bild zu der Geschichte.
• Welche Stelle in der Geschichte hat dir gut gefallen? Male sie.
• Welche Buchstaben kennst du schon? Schreibe sie auf. Suche dir eine Seite im Buch aus. Wie oft findest du die Buchstaben dort?  
• Suche dir eine Seite im Buch aus. Schreibe alle Wörter auf, die du schon alleine lesen und schreiben kannst.
• Was passiert in der Geschichte? Erzähle es einem anderen Kind.

Ein Lesepass für fortgeschrittene Leser 

Sobald die Kinder ganze Sätze alleine lesen und verstehen können, sowie eine festgelegte Anzahl an Aufgaben in ihrem ersten Lesepass gelöst haben, erhalten sie den nächsten Lesepass. Langsam steigen nicht nur die Zeit beim Selberlesen und Vorlesen etwas an (erst 7, dann 10 Minuten), auch die Aufgaben werden schwieriger. Pro Aufgabenblatt bieten sich 10 Aufgaben an, die bearbeitet werden können. Wer sie löst, erhält ein neues Aufgabenblatt, mit anderen Aufgaben.

• Wer hat das Buch geschrieben? Schreibe auf, was du über die Person herausfindest (Name, Geburtsjahr, Wohnort, Beruf…).
• Male ein neues Titelbild zu deinem Buch.
• Welche Stelle war am lustigsten? Male sie auf.
• Schreibe in fünf Sätzen auf, worum es in deinem Buch geht.
• Male alle Personen, die in der Geschichte vorkommen. Schreibe ihre Namen darunter.
• Hast du etwas Neues erfahren, das du vorher nicht wusstest? Schreibe es auf. 
• Hat dir etwas nicht gefallen? Schreibe es auf.
• Schreibe einen Büchersteckbrief zu deinem Buch. Das sollte darauf stehen: Titel, Autor/in, Seitenzahl, Erscheinungsjahr; Wer kommt vor? Worum geht es? Male ein Bild zu deinem Buch.
• Finde 5 Nomen/Verben/Adjektive in deinem Buch und schreibe sie auf.
• Lies ein Buch mit mehr als 50 Seiten.
• Lies ein Buch mit mehr als 80 Seiten.
• Lies ein Buch mit mehr als 100 Seiten.

Ein Lesepass für gute Leser 

Für Kinder, die nicht nur gut lesen, sondern auch die Inhalte verstehen und wiedergeben können, gibt es noch einen weiteren Lesepass. Hier lesen sie 15 Minuten selbst, um einen Stempel zu erhalten. Es bietet sich an, mehrere Aufgaben zur Auswahl stellen, aus denen sich die Kinder selbständig auswählen, welche sie bearbeiten möchten. 

• Worum geht es in der Geschichte? Schreibe es in 5 Sätzen auf.
• Wie könnte die Geschichte weitergehen? Schreibe es auf.  
• Stelle dir vor, in der Zeitung würde über eine Stelle in deinem Buch berichtet werden. Schreibe einen Zeitungsartikel.
• Schreibe der Person, die das Buch geschrieben hat, einen Brief.
• Schreibe einen Brief an eine Buchfigur.
• Schreibe einen Steckbrief zur Hauptfigur in deinem Buch.
• Lies ein Buch mit mehr als 200 Seiten.
• Lies ein Buch mit mehr als 300 Seiten.
• Lies ein Buch mit mehr als 400 Seiten. 

 
Oriana R. / 26.09.2022

Zur Autorin: Mein Name ist Oriana und ich habe kürzlich mein Studium in Geschichte und Pädagogik beendet. Ich bin seit fast 10 Jahren als ehrenamtliche Lesepatin tätig und habe schon über 40 Grundschulkinder beim Lesenlernen begleitet. Nebenbei durfte ich zahlreiche Projekte organisieren und durchführen, unter anderem ein Wochenende im Wald, mehrere Theaterstücke und ein Geschichtsprojekt. Seit kurzem arbeite ich hauptamtlich mit Grundschulkindern in einer Gruppe für soziales Lernen und Hausaufgabenbetreuung. Besonders wichtig sind mir in meiner Arbeit die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und die Umsetzung der Kinderrechte im Gruppenalltag.